Polemik für das Sommerloch

Die mysteriösen Zahlenspiele der Gewerkschaft

Saarbrücken. Nur allzu schnell wird heutzutage die berühmte sprichwörtliche Sau durch das Dorf getrieben – dabei rennt sie medial besonders gerne im Sommerloch. Und bei der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) ist es sogar immer das gleiche Borstenvieh, das da losgeschickt wird. Nach Juni dieses Jahres war es nun Anfang September, als die NGG-Zentrale in Hamburg eine bundesweit vorgefertigte Pressemitteilung zur Anzahl und Abgeltung von Überstunden in der deutschen Wirtschaft und speziell im Gastgewerbe versendete. Beim ersten Mal präsentierte man die Bundeszahlen, dann brach man diese auf die einzelnen Landkreise runter. Der Tenor: Die Deutschen machen eine Milliarde Überstunden – ohne Geld dafür zu bekommen.

Alleine bei den Hotels und Gaststätten seien 45 Prozent aller Überstunden unbezahlt. Verantwortlich für das Zahlenwerk im sogenannten „Überstunden-Monitor“ ist das Pestel-Institut. Die Werte für die saarländischen Landkreise habe das Forschungsinstitut aus Hannover auf Basis des Mikrozensus und bundesweiter Durchschnittswerte errechnet. „Leider bleibt völlig unklar, wie man genau auf diese Zahlen kommt. Wie ging man vor? Was ist die evaluierte Grundlage? Wann wurden die Daten erhoben? Wie war der Maßstab für die Wertung der Überstunden? Es stellen sich viele Fragen … Und meines Wissens nach existieren zur Überstundenanzahl oder zu deren Bezahlung keine offiziellen Statistiken, die sich auf einzelne Landkreise beziehen“, erklärt Frank C. Hohrath. Und der Hauptgeschäftsführer des Hotelund Gaststättenverbandes DEHOGA Saarland e.V. fügt hinzu: „Offen bleibt auch, ob die tarifvertraglich vereinbarte Überstundenabgeltung durch Freizeit oder die Einstellung in ein ebenfalls tariflich verankertes Arbeitszeitkonto berücksichtigt wurde. Das hier präsentierte Zahlenwerk ist nicht nachvollziehbar. Es ist eine mathematische Spielerei mit einer guten Portion Kaffeesatzleserei.“

Zum 100. Mal: Es geht nicht um Mehrarbeit, sondern um eine bessere Verteilung

Die NGG-Kampagne zielt aber sowieso auf etwas ganz anderes ab. Das ist eine weitere Methode der Diskreditierung, welche die Forderungen des DEHOGA nach einer Flexibilisierung der Arbeitszeiten zur Angleichung an die moderne Dienstleistungsgesellschaft torpediert. Dabei werden einfach nonchalant zwei Themenwelten miteinander vermischt. Denn die Überstundenabrechnung hat überhaupt nichts mit der Problematik des Arbeitszeitgesetzes zu tun. Bei dieser Forderung des DEHOGA geht weder um eine Aushöhlung des Gesetzes noch um eine regelmäßige Ausweitung der täglichen Höchstarbeitszeit auf 13 Stunden. Es ist keine Mehrarbeit, sondern eine Anpassung des Gesetzes an die Lebenswirklichkeit. „Auch die NGG muss endlich akzeptieren, dass das Gastgewerbe nun einmal dann arbeitet, wenn andere feiern wollen“, sagt Hohrath. Denn welcher Gast möchte bei seiner Hochzeit um 2 Uhr auf dem Höhepunkt der Stimmung nach Hause geschickt werden? Welches Mitglied einer Reisegruppe erwartet nicht bei einer Busverspätung dennoch eine warme Mahlzeit, auch wenn die Küchenzeiten längst vorbei sind?
Das alles lässt sich nur eingeschränkt mit der von der NGG beschworenen Dienstplangestaltung, Arbeitszeitkonten und Ähnlichem planen. Und anders als der NGG ist dieser logische Zusammenhang offenbar den allermeisten der über zwei Millionen Mitarbeitern der Gastro-Branche sehr wohl bewusst. Und nebenbei: Der DEHOGA steht mit seiner Forderung nicht alleine da. Im Saarland schlossen sich der Initiative „Mehr Flexibilität in der Arbeitszeit“ 14 Verbände an. Von der Bauwirtschaft über die Holz- und KunststoffVerarbeiter bis zur Metall- und Elektroindustrie.

Unter Generalverdacht

Beim Thema Überstunden ist völlig unstrittig: Soweit arbeitsrechtliche Verstöße vorliegen, gehören diese geahndet. Gerade in Zeiten des zunehmenden Mitarbeitermangels ist ein solches Verhalten für den Unternehmer ohnehin kontraproduktiv. Und selbstverständlich müssen Überstunden ausgeglichen werden. Dafür bestehen im Gesetz klare rechtliche Regelungen. Auch in den mit der NGG ausgehandelten Tarifverträgen ist klar geregelt, wie viele geleistet werden dürfen, wie und in welchem Umfang sie vergütet werden und wann Freizeitausgleich zu leisten ist. „Den generalisierenden Pauschalvorwurf der NGG gegen das Gastgewerbe ist in höchstem Maße ungerecht gegenüber der großen Mehrheit der Unternehmer, die Tag für Tag mit ihren Mitarbeitern für ihre Gäste da sind, ihr Bestes leisten und sich korrekt verhalten. Für ein bisschen öffentliche Wahrnehmung im Sommerloch wird hier die ganze Branche einer Stadt, eines Landkreises und eines Bundeslandes mit nicht nachprüfbaren Daten an den Pranger gestellt“, moniert Gudrun Pink, die saarländische DEHOGA-Präsidentin. Anstelle von nachvollziehbaren Fakten wird das Fehlverhalten Einzelner zum Branchensymbol gemacht. Damit erweise die NGG aber auch ihren eigenen Mitgliedern einen Bärendienst. Sie zeichnet konsequent das Bild eines Berufstandes, das zu Recht keine Mitarbeiter habe. Damit säge sie laut Pink nicht nur sich selbst den Ast ab, sondern ignoriere den Wunsch vieler Arbeitnehmer nach mehr Flexibilität bei der Arbeitszeit zugunsten selbstbestimmter Freizeit. „Es ist sowieso schon schwer genug, junge Menschen zu finden, die an Sonn- und Feiertagen arbeiten wollen. Mit solchen Horrormeldungen wirft man einer ganzen Branche Knüppel zwischen die Beine. Das ist nicht die Lösung", unterstreicht Pink. In das Bild der Ausbeuter-Branche passt auch das von der NGG beklagte Verteilungsbild von Vollzeit- zu Teilzeitarbeitsplätzen insbesondere der Minijobs. Dabei ist offensichtlich, dass das Gastgewerbe dieses Arbeitsmodell wie kein zweiter Wirtschaftszweig benötigt. Hier bestimmt nämlich der Gast, wann Arbeit anfällt. Hinzu kommen äußere Faktoren wie Wetter, Jahreszeit, Feieranlässe, … Zur Abdeckung dieser Spitzen bedarf es dann Personal. Dazu bietet sich ein Teilzeitarbeitsplatz geradezu an. Und nicht zu vergessen: Auf Mitarbeiterseite werden sehr häufig auch nur Minijobs gesucht. Für viele ist das die einzige Möglichkeit, steuerfrei und legal 450 Euro hinzuzuverdienen. „Ich kenne Betriebe, die aus Minijobbern sehr gern Festangestellte machen würden. Aber die wollen nicht, weil sie bereits einen anderen festen Arbeitsplatz haben“, berichtet Gudrun Pink und ergänzt: „Mit Polemik kommen wir nicht weiter. Wir fordern die NGG auf, hier endlich über die Sache zu verhandeln, statt sich hinter Zahlenspielereien und permanentem Gastro-Bashing der Diskussion zu entziehen.“

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